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Die Baumarktkunden werden immer älter und Nachwuchs ist nicht in Sicht. Die Generation Online hat Heimwerken nie gelernt und verliert angesichts endloser Hochregal-Labyrinthe ohne Produktbewertungen und Chatfunktion schnell die Motivation. Die meisten Produkte lassen sich bequemer im Internet bestellen und eine Anleitung auf YouTube ist schneller gefunden als ein Mitarbeiter im Baumarkt – so das Klischee.

«Durch die Amazonisierung des Konsums verliert der stationäre Handel den Kontakt zu seinen Kunden. Etablierte Geschäftsmodelle sind nicht mehr zukunftsfähig», lautet das vernichtende Urteil des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH). Tatsächlich macht Amazon mit DIY-Sortimenten in Deutschland bereits mehr Umsatz als alle stationären Baumarktketten zusammen und ist laut der IFH-Studie «Customer-Journey-Benchmarking DIY 2018» hierzulande in vielen Fällen die erste Anlaufstation für die Produktsuche beim Onlinekauf.

Einerseits. Andererseits entfallen noch immer 94 Prozent des Umsatzes mit DIYKernsortimenten auf den stationären Einzelhandel. Zum Vergleich: Bei Haushaltselektronik oder Mode wird bereits mehr als jeder vierte Euro im Onlinehandel verdient.

Der geringe Onlineanteil im DIY-Bereich hat Gründe: Da wäre zunächst das breite und in grossen Teilen «unhandliche» Sortiment. HORNBACH beispielsweise bietet im Onlineshop in Deutschland rund 170.000 Artikel, darunter auch Gartenhäuser, Zementpaletten und Weihnachtsbäume.

Vor allem im Baustoffsortiment ist Amazon bislang noch schwach vertreten, was auch an der komplexen Logistik liegt. Zudem ist es in vielen Fällen einfacher, mit dem Anhänger am Regal vorzufahren und das Baumaterial direkt mitzunehmen, anstatt auf die Lieferung in zwei bis drei Tagen zu warten. Zumal viele Kunden ihr Projekt bei gutem Wetter gerne sofort umsetzen möchten.

Apropos Projekt: Laut dem IFH Customer-Journey-Benchmarking sucht fast die Hälfte der Baumarktkunden nicht nur ein einzelnes Produkt, sondern die Zutaten für ein Bau- oder Renovierungsvorhaben. HORNBACH positioniert sich daher schon lange als «Projektbaumarkt», der nicht nur Material in ausreichend grossen Projektmengen bereithält, sondern in allen Märkten und über das hauseigene Kundenservicecenter auch mit einer professionellen Beratung unterstützt. Gleichzeitig wächst das Angebot an

Anleitungsvideos und digitalen Tools, mit denen sich beispielsweise individuell angefertigte Holzplatten, Bleche oder Duschkabinen konfigurieren lassen. Und wer es wirklich nicht selber machen will (oder kann), dem vermittelt HORNBACH einen Handwerker.

Dass die Verknüpfung von Onlineshop und stationärer Präsenz Vorteile bietet, zeigt sich auch in den Zahlen: Der Anteil der stationären Baumarktketten am DIY-Onlinehandel ist in den letzten Jahren nach Angaben des Branchenverbands BHB kontinuierlich gestiegen – von rund zehn Prozent im Jahr 2014 auf fast ein Fünftel im Jahr 2018.

Kundenumfragen bei HORNBACH haben ergeben, dass zwei Drittel der Kunden sich erst online informieren und dann in den Baumarkt fahren. Nur 23 Prozent wickeln den Einkauf komplett online ab. Insbesondere die Möglichkeit, Produkte über den Onlineshop zu reservieren und dann im Markt abzuholen («Click and Collect») wird bei HORNBACH von immer mehr Kunden genutzt und wächst deutlich stärker als der Direktversand.

Kanalwechsel im Kaufprozess in %

Kunden wollen also weiterhin stationäre Märkte, um Produkte anzufassen, auszuprobieren und sich beraten zu lassen. Die Frage ist: Wie sollen diese Märkte in Zukunft aussehen? Hier ist die Lösung noch nicht gefunden. Fast alle grossen Baumarktbetreiber haben in den vergangenen Jahren mit Kleinflächen experimentiert: HORNBACH mit den compact-Märkten, Toom mit Popup-Stores in der Innenstadt, Hagebau mit einem urbanen Baumarkt namens Horst. Daneben versuchen auch Startups sich auf dem umkämpften deutschen Markt mit neuen Ideen zu etablieren – so zum Beispiel der mobile Baumarkt «Jeez», der im Kleintransporter direkt beim Kunden zu Hause vorfährt.

Sicher ist, dass es künftig bei den Marktformaten eine grössere Vielfalt geben wird (siehe auch Interview). Der professionelle Handwerker, der am Montagmorgen im Drive-in Fliesen und Badkeramik für eine Badrenovierung auflädt und möglichst schnell bei der Arbeit sein will, hat andere Bedürfnisse als der Grossstadt-Hipster, der am Samstagnachmittag auf der Suche nach Inspiration für sein Upcycling-Projekt durch den Baumarkt streift.

Ein Faktor ist aber für beide Kundengruppen entscheidend: mehr und persönlichere Beratung. Damit hebt sich der stationäre Handel von den reinen Online-Produktversendern deutlich ab. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Studie «Omnichannel-Retailing 2025» – ein Gemeinschaftsprojekt der Standardisierungsorganisation GS1, dem Marktforschungsinstitut rheingold und der Beratung PwC: «Technologien helfen überall dort, wo der Shopper Zeit einsparen und die Funktionalität verbessern möchte. Sie haben das Potenzial, die Mitarbeiter zu entlasten und mehr Raum für deren Stärken zu schaffen: die soziale Interaktion, die persönliche Beratung, Empathie und Leidenschaft.»

Der Handel steht also einerseits vor der Herausforderung, qualifizierte und engagierte Mitarbeiter zu gewinnen und an sich zu binden. Andererseits muss entschieden werden, wie viel und welche technologische Unterstützung für die Kunden relevant und sinnvoll ist. Denn Innovation und technischen Fortschritt gibt es nicht zum Nulltarif.

Interview

Dr. Eva Stüber ist Mitglied der Geschäftsleitung des IFH Köln. Sie beschäftigt sich schwerpunktmässig mit Fragestellungen der Zukunft des Handels sowie der Digitalisierung im Handel und Innovationen.

Weniger ist mehr

In Deutschland werden immer mehr Baumarktartikel online gekauft. Sind stationäre Baumärkte ein Auslaufmodell?

So wie sie derzeit aufgestellt sind – ja. Viele Baumärkte bedienen die aktuellen Leistungsanforderungen der Kunden nicht: Bequemlichkeit, Einfachheit und Schnelligkeit. Aus dem Onlinehandel sind es die Kunden gewohnt, dass sie über Produktempfehlungen, Filter- und Suchfunktionen direkt zum richtigen Produkt geführt werden. Auf der Fläche funktioniert das nicht. Es ist kein Klischee, dass man in Baumärkten selten Mitarbeiter findet, die weiterhelfen können. Es ist aber auch klar, dass im aktuellen Geschäftsmodell eine höhere Personaldecke nicht finanzierbar ist.

Wie müssten sich Baumärkte verändern, um den steigenden Kundenansprüchen gerecht zu werden?

Baumärkte sollten sich als Lösungsanbieter für DIY-Projekte verstehen. Statt ein riesiges Sortiment für jeden Kundenbedarf auszustellen, sollten sie für mehr Orientierung sorgen und Kunden mit Beratung und Dienstleistungen bei ihrem Projekt unterstützen.

HORNBACH versteht sich als Projektbaumarkt und bietet auch entsprechende Services wie die Vermittlung von Handwerkern. Unsere Wettbewerber machen das mittlerweile auch...

Ja, das stimmt. Aber oft wird noch nicht ganzheitlich gedacht, nicht radikal genug. Die Dienstleistungen rund um Projekte sind vielen Kunden nicht präsent. Insbesondere beim Onlineauftritt besteht Nachholbedarf. Wer neben Amazon auffallen will, braucht ein klares Profil über das reine Produktangebot hinaus. HORNBACH hat schon eine grosse Wegstrecke zurückgelegt und ist hierbei deutlich besser positioniert als andere Baumärkte. Das zeigt auch die erneut gute Platzierung bei unserem Onlinehandel Award. Insgesamt ist die Branche aber zu langsam und zu wenig innovativ.

Innovation kostet viel Geld. Amazon hat im letzten Geschäftsjahr 22,6 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert. Es ist doch klar, dass da kein Einzelhändler mithalten kann.

Das ist richtig – alleine wird dies niemand schaffen. Es kommt darauf an, sich die richtigen Kooperationspartner zu suchen: Hersteller und Logistikunternehmen oder Dienstleister, aber auch originäre Wettbewerber. An dieser Stelle muss man vielleicht auch mal über seinen eigenen Schatten springen. Andere Branchen sind da schon weiter: Eine Kooperation zwischen Daimler und BMW beispielsweise wäre vor fünf Jahren auch noch undenkbar gewesen.

Wo sehen Sie die deutsche Baumarktbranche in zehn Jahren?

Es wird sicher eine gewisse Konsolidierung geben und deutlich weniger Fläche. Aber die vorhandene Fläche wird besser genutzt mit neuen Formaten, die besser auf einzelne Kundengruppen und die Kundenbedürfnisse im Einzugsgebiet zugeschnitten sind. Die Grundversorgung mit Produkten wird online abgedeckt – es wird darauf ankommen, diese mit stationärem Service und Beratung zu verbinden.

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